Essenz
SCHAMANISMUS UND SCHAMANENTUM
Die Medizin gehört zum ältesten Kulturgut des Menschen. Ihren Ursprung findet man im Schamanismus, womit das heilsame Anwenden von verschiedenen Techniken und Hilfsmitteln bezeichnet wird. Wie Schamanen leben und auf welche Weise sie praktizieren, ist ebenso vielfältig wie ihre Individualität und Kultur. Trotzdem, sie sprechen ihre ganz eigene Sprache und im Grunde genommen arbeiten sie alle gleich. Sie verfügen über ein spirituelles Urwissen und obschon sie eine vertraute und zuverlässige Verbindung zur Geistigen Welt haben, bleiben sie geerdet und realistisch.
,Schamanismus’ steht sozusagen für die Ausübungsform einer Praxis, wohingegen der Begriff ‚Schamanentum’ die Daseinsform und Bedeutung eines berufenen Schamanen bezeichnet.
BERUFUNG
Das Wort Schamane kommt wohl aus dem Sibirischen Raum der Tungusen und bedeutet im übertragenen Sinne ‚der mit den Geistern spricht / der Sehende / der mit dem Feuer wandelt’ - Saman. Auch wenn dieser Begriff mittlerweile in fast allen Sprachen bekannt ist, hat jede Kultur einen eigenen Namen für ihre ‚Mediziner’: bei den Kalaallit und Skandinaviern heissen sie ANGAKKORSUAQ und NOAIDI, vom koreanischen Raum bis Nepal sind es zB MUDANG oder JHANKRI und in Mittel- und Südamerika kennt man sie unter anderem als MACHIS.
Die Wahl einer Schamanischen Seele wird von den Geistern getroffen und das Werden zum Schamanen ist ein langer Weg:
Der Berufene wird konfrontiert mit dem Erkennen und Annehmen seiner eigenen Seele. Er muss viele schwierige Entscheidungen treffen, die unweigerlich mit seinem Umfeld und seiner Zukunft im Zusammenhang stehen. In dieser Vorbereitungszeit begegnen ihm unter anderem seine Dämonen und auch der Tod in vielfältiger Weise. Herausforderungen sind zu meistern, dunkle Täler zu durchschreiten, unzählige Erkenntnisse zu verinnerlichen und es gilt zu lernen, mit den beschenkten Fähigkeiten weise umzugehen. Seine Berufung kann der Schamane erst antreten, wenn er auf seinem Lebensweg gereift ist und sich ihrer als würdig erwiesen hat. Er wird dadurch befähigt, mit der Geistigen Welt zu beraten, zu verhandeln, mit ihr zu wirken - er wird zum Vermittler zwischen ihr und den Wesen. Es geht immer um das Heilwerden und um Versöhnung zu finden, um das Lebendigsein und auch das Sterbenlassen.
ARBEIT
Traditionellerweise findet die Arbeit im Haus des Schamanen statt - da wo er lebt, in seiner Mitte, wo alles vorhanden ist.
Um die Medizin zu finden, die den kranken Menschen zur Heilung führen kann, reist der Schamane in die Geisterwelt - den Spirits. Um in diese Anderswelt zu gelangen, bringt er sich in einen Trancezustand und setzt dazu zB bewusstseinsverändernde Substanzen, seine Trommel oder andere Hilfsmittel ein. Er ist dadurch nicht etwa berauscht oder orientierungslos, sondern befindet sich in einer Präsenz, in welcher beide Welten für ihn spürbar und sichtbar sind. Es wird ihm dabei gezeigt, warum die Krankheit entstanden ist und woran es der Seele mangelt. Ein solches Ungleichgewicht kann verschiedene Gründe haben: möglich ist, dass der Mensch nicht auf seinem ihm bestimmten Weg geht, dass er davon abgekommen ist oder ihn noch gar nicht erkannt hat. Auch kann ein Anteil seiner Seele durch ein traumatisches Erlebnis abhanden gekommen sein.
Durch seine Arbeit verschafft der Schamane dem Klienten das Wissen über die Medizin, welche das Gleichgewicht wieder herstellen kann. Auch wird er die Energien wieder soweit in ihre Ordnung bringen, dass sie frei fliessen können. Für das Heilwerden braucht es dennoch die Eigenverantwortung des Klienten: Denn es ist an ihm selber, zu wählen welchen Weg er weiter geht und wieviel Veränderung er zulassen möchte.
Der Schamane lässt dem Menschen Raum und Zeit, sich zu entwickeln, er steht ihm zur Seite bei seinen Übergängen vom Ankommen in dieser Welt, bis hin zu seinem Ableben und darüber hinaus - er ist ein Begleiter der Seele auf ihrem Weg.
Weiterführende, empfehlenswerte Literatur:
Wolf-Dieter Storl - Schamanentum, die Wurzeln unserer Spiritualität (AURUM-Verlag)
Claudia Müller-Ebeling - Ahnen, Geister und Schamanen (AT-Verlag)
Bilder:
Sibirische Petroglyphe ,fliegender Schamane‘: Müller-Ebeling/Rätsch (Tiere der Schamanen - AT-Verlag)
Kauz: Quelle unbekannt
Trommel: Alrauna Seelenbegleitung